Die Hochwasserkatastrophe in Dömitz im Jahre 1888
Das Jahr mit den drei Achten wirkte sich verhängnisvoll für die kleine Elbestadt aus. Der Winter 1887/88 war sehr schneereich. Am 17. März 1888 lag der alte Schnee noch überall einen Meter hoch. Dazu schneite es mehrere Tage und Nächte ununterbrochen, daß alle Ortschaften der Heide vom Verkehr zunächst abgeschnitten waren.
Für Dömitz wurde dies verhängnisvoll. Schon seit Tagen hatte die Elbe Eisstillstand. Die dicken Schollen schoben sich durch- und übereinander. Das Elbewasser stieg ständig. Vorwerder und Rosenbusch waren bald überflutet. Am 19. März erreichte das Wasser um Mitternacht bereits die Stadt. Die Sturmglocke ertönte. Signalhörner weckten die Bewohner. Zunächst galt es, das Vieh aus den niedrig gelegenen Stadtteilen zu bergen und dann das weitere Inventar, namentlich Lebensmittelvorräte. Am Morgen standen schon die Fritz-Reuter-Straße, die Marien- und die Schusterstraße unter Wasser. Desweiteren wurden bereits die Schweriner und die Bahnhofsstraße überflutet. Vom Fährhaus auf dem Sandwerder konnten die Bewohner im letzten Augenblick durch mutige Schiffer gerettet werden.
Schließlich waren nur noch der Kirchen- und der Marktplatz und die Tor- und Bäckerstraße einigermaßen wasserfrei. Viele Bewohner flüchteten mit ihrem Vieh und sonstiger Habe auf die Festung. Doch der Raum reichte hier nicht aus. Kirche, Rathaus und alle sonstigen Gelasse und Räume mußten den Obdachlosen zur Verfügung gestellt werden.
Am 20. März abends konnte der letzte Zug noch abfahren, überreichlich mit Flüchtlingen, namentlich mit Frauen und Kindern besetzt. Dann standen auch die Bahngleise unter Wasser und Dömitz war nur noch durch Telephon und Telegraph mit der Außenwelt verbunden.
Man hatte die Regierung in Schwerin bereits durch ein ausführliches Telegramm um Hilfe durch Pioniere gebeten. Um Mitternacht heulte wieder die Sturmglocke. Der Roggenfelder Deich hatte dem Druck der Eismassen und des Wassers nachgegeben, und nun überschwemmten die Wogen unter furchtbarem Getöse die Gänseweide, zerstörten die steinerne Chausseebrücke und setzten in unglaublich kurzer Zeit die ganze Flur bis Heiddorf, Heidhof und Woosmer unter Wasser.
2600 Menschen waren in Dömitz auf einer immer kleiner werdenden Insel bei der Kirche herum und auf der Festung zusammen. Gedrängt, umgeben von einer weiten, wilden Wasser- und Eisfläche. Kein Lebenszeichen von außen erreichte die Dömitzer mehr, denn die Eismassen hatten auch die Telegraphenstangen umgelegt. Auch mit einem gewöhnlichen Kahn konnte man nicht mehr durch das Wasser und durch die Eisschollen von Dömitz aus durchdringen.
So vergingen vier angstvolle Tage und Nächte. Es gelang endlich, die Telegraphenleitung wieder betriebsfertig zu machen. Hierdurch erhielt man die Nachricht, daß Pioniere von Heiddorf aus unterwegs seien. Durch Raketensignale zeigte man ihnen in der dunklen Nacht durch die weite Wasserwüste den Weg. Es war aber nur ein kleiner Vortrupp, der sich mit Mühe und Not den Weg nach Dömitz bahnte. Aber er kam zur rechten Zeit. Er half vielen Menschen und manchem Stück Vieh aus Todesnot.
Die Hauptabteilung der Pioniere konnte erst am Sonntag die Stadt erreichen. Er hatte so lange in den umliegenden Dörfern, besonders in Heidhof, viel zu halten und zu retten. Daß man in dem gesamten Überschwemmungsgebiet bei Dömitz herum kein einziges Menschenleben zu beklagen brauchte, war allein dem todesmutigen Einsatz dieser unerschrockenen und tüchtigen Soldaten zu verdanken!
Als dann nach mehreren Tagen die Elbe endlich infolge eines Deichbruchs im Hannöverschen wieder ging, und die Gewässer allmählich aus den Straßen und von den Chausseen und Landwegen wieder abflossen, räumten die Pioniere in wochenlanger, mühevoller Arbeit zusammen mit den Bewohnern von Dömitz alle Trümmer und Schuttmassen bei Seite und stellten alle Brücken usw. zunächst wieder behelfsmäßig her.
Der Schaden war allgemein groß und die ganze Wintersaat vernichtet, für das Sommergetreide die Ernteaussichten gering, denn zuviel Schlamm und sonstiger Unrat bedeckten die Fluren. Der Gesamtschaden wurde für Dömitz auf 213.000 Mark festgestellt, für alle Schäden im mecklenburgischen Elbegebiet auf 728.000 Mark.
Lange Jahre gehörten dazu, um in der schwer heimgesuchten alten Festungsstadt alle Schäden zu überwinden. Aber es waren goldene Friedensjahre, die folgten, und der Fleiß und die Lebens- und Schaffenskraft der Dömitzer holten alles im Laufe der Zeit wieder ein, besonders halfen dabei die immer mehr erblühende Elbschiffahrt und die seit 1892 entstandenen und sich ständig vergrößernden Sprengstoffwerke.
Wer das Wasser liebt mit Rudern und Segeln und Baden und Schwimmen und das Angeln und Fischen und dazu die schönen Dampferfahrten auf der Elbe, kommt in Dömitz auf seine Kosten.
Sonst ist die Umgebung von Dömitz ziemlich reizlos. Größere Wälder und anmutige Gehölze fehlen völlig. Das niedrige Wiesengebiet ist eben und eintönig.
Textsammlung Kantor Burmeister, Alt Jabel